(v.l.) Christiane Norff (Leiterin Schuldner- und Insolvenzberatung Diakonie Allgäu), SIB-Mitarbeiterin Iris Brauchle, Christine Scholl (Vorständin Diakonie Allgäu), Alexander Hold (Landtagsvizepräsident und Kemptener Stadtrat), Alfred Stoffel (langjähriger ehrenamtlicher juristischer Berater SIB), Nikolaus Raimund (Verwaltungsratsvorsitzender Diakonie Allgäu), Heidi Ott (Landesreferentin für soziale Schuldnerberatung Diakonie Bayern), SIB-Mitarbeiterin Sybille Kennerknecht, SIB-Mitarbeiterin Tatjana Dück, Klaus Knoll (2. Bürgermeister Stadt Kempten) und SIB-Mitarbeiterin Anja Grabherr. Nicht im Bild: Christian Hauber (stellvertretender Landrat Lindau) | Foto: Sabine Stodal

35 Jahre Schuldner- und Insolvenzberatung der Diakonie Allgäu

Jubiläumsfeier in Kempten mit Politik, Kirche und Wegbegleitern

Allgäu – Seit nunmehr 35 Jahren, genauer seit dem 2. Juli 1990, begleitet die Schuldner- und Insolvenzberatung (SIB) der Diakonie Allgäu Menschen in finanziellen Krisen. Am vergangenen Freitag (17.10.) wurde dieses Jubiläum in Kempten gemeinsam mit langjährigen Weggefährten, politischen Vertreterinnen und Vertretern sowie Kooperationspartnern gefeiert. Deutlich wurde dabei vor allem eines: Die Bedeutung dieser Arbeit ist heute größer denn je.

Die Diakonie Allgäu betreibt im Auftrag der Stadt Kempten und des Landkreises Lindau Beratungsstellen in Kempten und im Landkreis Lindau. Geleitet wird die Schuldner- und Insolvenzberatung von Christiane Norff, die gemeinsam mit ihrem Team seit vielen Jahren für eine fachlich fundierte und menschlich zugewandte, vorurteilsfreie Beratung steht. Bürgerinnen und Bürger, bei denen das Einkommen nicht mehr für den Lebensunterhalt reicht oder die mit ihren Schulden allein nicht mehr zurechtkommen, finden hier niedrigschwellige, vertrauliche und kostenfreie Unterstützung. Dazu gehört Krisenintervention zur Existenzsicherung, präventiver Schuldnerschutz sowie eine effektive Vernetzung der Hilfsangebote. „Unser Ziel ist nicht nur die wirtschaftliche, sondern auch die psychische und soziale Stabilisierung der Betroffenen“, betont Christiane Norff. „Wir begleiten sie auf dem Weg, ihre schwierige Lebenssituation künftig selbständig bewältigen zu können.“

Pfändungen, Energiesperren und Wohnungsverluste
Nikolas Raimund, Vorsitzender des Verwaltungsrats der Diakonie Allgäu, erinnerte daran, dass die SIB im Gründungsjahr 1990 eine der ersten Einrichtungen ihrer Art in Bayern war. „Sie ist für die Stadt Kempten bis heute von enormer Bedeutung. Die Bedarfe sind zunehmend“, unterstrich er. Im Jahr 2024 wurden 569 Menschen unterstützt – die Beratungen für Inhaftierte der Justizvollzugsanstalt Kempten nicht mitgerechnet. „Im Lauf der Jahre konnten zahlreiche Pfändungen abgewehrt, Energiesperren verhindert und Wohnungsverluste vermieden werden.“ Große Bedeutung messe die Diakonie auch der Präventionsarbeit an Schulen bei, so Raimund. „In diesen Bereich muss weiter investiert werden, denn er ist ein wesentlicher Beitrag zur Verhinderung von Überschuldung und Altersarmut und kommt somit der Gesellschaft insgesamt zugute.“ Er hoffe sehr, dass die kostenfreie Beratung auch mit dem aktuell im Bundestag und Bundesrat behandelten Schuldnerberatungsdienstegesetz dauerhaft gesichert bleibe.

Überschuldung als existenzielle Krise
„Was wäre die Stadt Kempten ohne SIB?“ Diese rhetorische Frage stellte Kemptens Zweiter Bürgermeister Klaus Knoll. „Vor 35 Jahren war nicht klar, welche unverzichtbare Funktion die Stelle einmal haben würde“, gab er zu. „Eigentlich traurig, dass wir so eine Einrichtung brauchen – aber wir sind sehr froh und dankbar, dass wir als Stadt Kempten einen Partner wie die Diakonie Allgäu haben.“ Überschuldung sei für viele Menschen eine existentielle Krise – oft verbunden mit Arbeitslosigkeit, Krankheit oder sozialer Isolation. Die SIB verschaffe Orientierung, aktiviere Selbsthilfekräfte und vermittle zwischen Betroffenen und Gläubigern, so Knoll.

Schuldnerberatung ist Pflichtaufgabe
Heidi Ott, Landesreferentin für soziale Schuldnerberatung bei der Diakonie Bayern, hob hervor, dass die SIB bei der Diakonie in erster Linie soziale Arbeit sei – und sich damit bewusst von rein kommerziellen Anbietern unterscheide. „Bei uns steht der Mensch im Mittelpunkt“, betonte sie und appellierte mit Blick auf die anwesenden Politiker: „Schuldnerberatung ist eine Pflichtaufgabe der staatlichen Daseinsvorsorge und darf – trotz leerer Kassen – nicht zulasten der Träger gehen, sondern muss kostendeckend finanziert werden.“
Als ganz besonderer Wegbegleiter der ersten Stunde kam Alfred Stoffel zu Wort. Der ehemalige Leitende Oberstaatsanwalt war ab 1980 Mitglied des erweiterten Verwaltungsrats der Diakonie Kempten und später jahrzehntelang ehrenamtlich als juristischer Berater der SIB tätig – „sehr zum Missfallen manch juristischer Kollegen“, wie er schmunzelnd bemerkte. Bis heute unterstützt der mittlerweile über 80-Jährige gelegentlich ältere Menschen unentgeltlich.

Uneigennützig, respektvoll und ohne jede Schuldzuweisung
Diakonie-Vorständin Christine Scholl dankte den Teams in Kempten und Lindau für ihr „unermüdliches Engagement über Jahrzehnte hinweg“. Die Mitarbeitenden begegneten den Ratsuchenden „uneigennützig, respektvoll und ohne jede Schuldzuweisung“ und leisteten damit einen unverzichtbaren Beitrag zum gesellschaftlichen Zusammenhalt. Als Zeichen der Dankbarkeit verteilte sie strahlende Sonnenblumen an das Team. Die evangelische Pfarrerin Andrea Krakau trug einen geistlichen Impuls bei und für einen Gänsehautmoment sorgte Anke Heinroth (Leitung Asyl & Migration bei der Diakonie Allgäu) mit ihrer Spoken-Word-Performance „Ein Traum von Freiheit“. Umrahmt wurde die Jubiläumsfeier von einer Plakatausstellung zur Geschichte und zu zentralen Themen der SIB. Darauf zu lesen: 5,56 Millionen Menschen in Deutschland gelten als überschuldet – rund 8,09 Prozent der Bevölkerung. Oder auch: 80% der Jugendlichen lernten nach eigenen Aussagen in der Schule kaum etwas über Wirtschaft und Finanzen. 92 % fordern mehr Finanz- und
Wirtschaftsthemen in der Schule. Der Schuldnerberatung geht die Arbeit wohl auch in den nächsten 35 Jahren nicht aus.